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Mein Weg ist der einzig Richtige

Mein Weg ist der einzig Richtige

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, sagt der Volksmund. Aus meiner Sicht vollkommen zu Recht. Wir mögen keine Veränderungen, jedenfalls keine, die unsere Pläne durchkreuzen und uns selbst herausfordern. Schuld daran sind unsere Denk- und Verhaltensmuster, die sich im Laufe unseres Lebens ausgeprägt haben, auf die wir gerne zurückgreifen, weil sie geprüft und »ausgewusst« sind. An sich ist das auch ok, aber gerade in der Interaktion mit andersartigen Individuen bauen sich damit schier unüberwindbare Hürden auf. Mit ein klein wenig mehr Selbstreflexion und Selbststeuerung muss das nicht sein.

Mir fällt sofort ein plakatives Beispiel für „Mein Weg ist der einzig Richtige“ ein. Das liegt vor allem daran, weil ich die Scherben aus dem Gegeneinander der beiden involvierten Gesellschafter auflesen darf und wir, bevor wir uns den geschäftlichen Themen widmen können, immer erst den Umgang mit den Gegensätzen klären müssen. Alle beide sind echte Typen, der eine hoch emotional und mit Vollgas bei der Sache, der andere zurückhaltend, bedacht und vorsichtig. Zuletzt haben wir um die vertriebliche Ausrichtung im Jahr 2019 gerungen und die Einführung des digitalen Vertriebs, parallel zum persönlichen Vertrieb, beschlossen. Die Diskussion hätte kontroverser nicht sein können, denn der eine Weg führte immer zu Detailfragen, was es bringt und kostet. Der andere beleuchtete immer die sich damit ergebenden vertrieblichen Chancen. Feuer und Wasser. Beide Sichtweisen sind berechtigt und entstammen den über Jahre ausgeprägten Denk- und Verhaltensstilen der beiden Manager. Ohne meine Rolle als »Katalysator« wäre die Entscheidung vermutlich heute noch nicht getroffen.

Wir haben Wege, die wir immer gehen

Die Herausforderung an der genannten Situation sind die fest zementierten Wege der beiden Manager, die auch aneinander vorbeilaufen können und damit nicht zu einer Lösung führen. Im Tagesgeschäft kommen die Unterschiede in den Denk- und Verhaltensstilen nicht in dem Ausmaß zum Tragen, erst bei wichtigen, kritischen und strategischen Entscheidungen wird eine Einigung zum Kampf. Das Verlassen der eigenen Wege und die Suche nach einem gemeinsamen Weg sind herausfordernd und brauchen unbedingten Willen, die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel und – im Fall unserer beiden Manager – auch klare Regeln in der Entscheidungsfindung.

Was sind meine präferierten Wege?

Die wichtigste Erkenntnis ist, dass es mehrere Wege geben kann, die zum Ziel führen können. Das heißt, dass ich mir darüber im Klaren sein muss, welche meine präferierten Wege sind und – so viel zum Thema Willen – mir auch vorstellen kann, dass andere Menschen andere Wege bevorzugen. Das hört sich simpel an, ist in der Umsetzung allerdings eine echte Hürde. Vor allem, wenn man seine eigenen Wege seit Jahren immer wieder geht. Diese Form der Selbstreflexion sollte gerade bei Führungskräften geübte Praxis sein, denn das Wissen um die eigene Person, die eigenen Wege, ist ein hilfreiches Mittel, wenn man auf Mitarbeiter oder Kollegen trifft, die anders ticken und eben andere Wege gehen. Statt mit dem Kopf durch die Wand geht dann auch ein „Ok, die machen es eben anders“.

Was sind die Wege der anderen?

Der nächste Schritt ist die Ergründung der Wege der anderen. Welche Denk- und Verhaltensstile haben meine Mitarbeiter, Kollegen oder Kunden? Das lässt sich mit Menschenkenntnis, einem guten Bauchgefühl und viel Herz ganz ohne weitere Hilfsmittel beschreiben. Für alle anderen gibt es dazu Typologiemodelle wie den MBTI oder den HBDI. Wichtig ist dabei, dass die »Lücke« zwischen dem eigenen Profil und dem meines Gegenübers klar wird und ich nicht sofort in meine eigenen Verhaltensmuster als den einzig richtigen Weg zurückfalle.

Wie gehe ich den Weg des anderen?

Als gute Führungskraft fange ich jetzt an, die Wege des anderen zu gehen. Ich adaptiere also langsam meine Denk- und Verhaltensstile. Um in unserem Beispiel zu bleiben, fährt einer der beiden Manager seine emotionale und bisweilen impulsive Art bewusst herunter und gibt seinem Gegenüber damit den notwenigen Raum zum Atmen. Der ruhige und besonnene Manager wird seine Gedanken verbal kommunizieren und seine detailliert ausgearbeitete Herangehensweise zugunsten von mehr »Flughöhe« aufgeben. Beide verlassen ihre angestammten Wege und begeben sich auf neues Terrain. Das braucht Disziplin, Zeit und klare Regeln. Eine davon ist, dass bei »zu emotionalen« Themen erst einmal eine Nacht darüber geschlafen wird.

Alle drei Schritte zu mehr Selbstreflexion und Selbststeuerung haben es in sich. Es braucht Zeit, um neues Verhalten zu adaptieren. Und manchmal geht es auch nicht ohne fremde Hilfe. Im Fall der beiden Gesellschafter sind wir jedenfalls auf einem guten Weg.

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