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Müßiggang ist aller Laster Anfang?

Muße als Teil moderner (Selbst-)Führung

Ich saß neulich im Gespräch in einer Viererrunde. Das Thema war ungewohnt, mein Part bestand in weiten Teilen aus Zuhören und dem gewünschten Ergänzen der Aussagen des Protagonisten. Das gab mir ausreichend Raum, um das komplette Setting auf mich wirken zu lassen. Hunderte von Büchern um mich herum, aber eines lag demonstrativ mitten auf dem Tisch. Muße. So der Titel. Vom Glück des Nichtstuns. Ich fühlte mich gleich angesprochen, ja sogar erwischt. Weniger weil sich just in diesem Moment meine Aufmerksamkeit weg vom Gespräch lenken ließ. Vielmehr weil ich in meinen Grundfesten erschüttert wurde, dass in der Muße auch Glück liegen kann. Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Abermals. Pause als sinnvoller Lebensinhalt begegnet mir nicht zu ersten Mal. Dabei kokettiere ich gerne mit meiner mittlerweile sechzehnjährigen Selbständigkeit. Von wegen selber und ständig. Urlaub brauche ich nicht. Habe ich keine Zeit für. Zuletzt 2019. 5 Tage an der Ostsee. Arbeit stiftet Sinn, aber Muße? Von der Generation meiner Eltern habe ich gelernt, dass Müßiggang aller Laster Anfang ist. Also bloß nicht anhalten, es gibt immer was zu tun. Auch am Wochenende. Wann soll sonst der Garten gepflegt oder das Dachfenster gestrichen werden? Zur Klarstellung: Ich arbeite gerne. Und beruflich sicher auch mehr als in einem klassischen 40-Stunden-Job. Aber warum fühle ich mich auf frischer Tat ertappt, wenn ich den Titel des besagten Buchs lese?

Muße zur Selbsterneuerung

Ich habe nicht lange gebraucht, um mich wieder daran zu erinnern, was Stephen R. Covey mir vor gut 17 Jahren mit der Lektüre der 7 Wege zur Effektivität und seinem Kapitel über „Die Säge schärfen“ sagen wollte, als ich mich erstmals mit den Prinzipien der ausgewogenen Selbsterneuerung beschäftigt habe. Sorge für Deinen Körper, schaffe Dir Dein eigenes Wertesystem, bilde Dich ständig weiter und interagiere mit anderen Menschen. Muße ist ein elementarer Bestandteil in diesen vier Dimensionen. Das ist mir vor ein paar Tagen (wieder mal?) bewusst geworden. Ein gesunder Körper braucht auch Ruhe und Entspannung. Ein Wertesystem, Covey nennt das die spirituelle Dimension, braucht Muße um zu meditieren, sich mit Gott auseinanderzusetzen oder einfach nur die Natur zu genießen. Auch lebenslanges Lernen braucht die Muße, um sich aus dem Alltag zu befreien und Raum für die persönliche Entwicklung zu schaffen. Das gilt gleichermaßen für den Austausch mit anderen, also der Zeit für soziale Interaktion. Langsam dämmert es mir, warum ich mich erwischt gefühlt habe. Ich finde keine Muße, um meine Säge zu schärfen. In allen vier Dimensionen hapert es bei mir mit dem Nichtstun, den kreativen Auszeiten, der Regeneration des Gedächtnisses.

Muße im Tagesgeschäft

Ich krame weiter in meinen Erinnerungen. Da fällt mir ein Buch von Ernest L. Rossi mit dem bezeichnenden Titel „20 Minuten Pause“ ein, dass ich auch schon vor Dekaden gelesen habe. Er schreibt von ultradianen Rhythmen, die sich mehrmals am Tag zyklisch wiederholen. Sie bestehen aus 90 bis 120 Minuten Aktivität und 15 bis 20 Minuten Ruhe. Eben jene Ruhepausen sind natürliche Bedürfnisse unseres Organismus, die ich mit Espresso und beruflicher Hektik gerne überspiele, obwohl ich den Pausenwunsch meiner Körper-Seele-Einheit durchaus wahrnehme. Dabei könnte ich als Selbständiger sicher mal 20 Minuten Pause machen, um zu entspannen, Eindrücke zu verarbeiten und für Erholung zu sorgen. Nichtstun wissenschaftlich erforscht und für Menschen wie mich nachvollziehbar aufbereitet. Na prima. Ein weiterer Beleg dafür, dass Muße Teil meines Tagwerks sein sollte. Sollte? Nein, muss!

Dosierung der Muße

Ich glaube, dass auch mein Team (und meine Familie) mehr von mir hätte, wenn ich manchmal aus dem Hamsterrad des Tagesgeschäfts aussteigen und dem sinnvollen Nichtstun frönen würde. Dem Wunsch meines Körperrhythmus nachkomme und, zumindest gelegentlich, mal 20 Minuten Pause mache und nicht ans Telefon gehe oder Emails schreibe. Mir Phasen der Erholung durch Muße schaffe und mich nicht von meinem schlechten Gewissen auffressen lasse. Schwierig. Müßiggang ist eben nicht aller Laster Anfang. Das muss aber erst mal in meinen Kopf ankommen. Ein Grundproblem für Menschen mit meiner Taktung und Erziehung. Die Dosierung von Muße muss es wohl richten. Ich erlaube mir heute 20 Minuten Pause auf meinem Sessel im Büro. Und das Schreiben dieses Artikels – lange überfällig übrigens. Fühlt sich gut an. Die Säge wird geschärft. Langsam. Ein Abend mit Nicht-Geschäftspartnern (interessant, dass ich nicht von Freunden spreche – sind im Laufe der Jahre eh immer weniger geworden) wird es heute nicht geben. So weit bin ich noch nicht. Gehört aber dazu. Vielleicht nächste Woche. Das Buch von Ulrich Schnabel (Muße – Vom Glück des Nichtstuns) werde ich in dieser Woche noch zu Ende lesen. Gehört ebenfalls dazu. Und war ja schließlich der Auslöser für diesen Beitrag.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich über das Schärfen der Säge schreibe. Ist ja offenbar ein Dauerbrenner für mich. Manchmal braucht es den nächsten Wink mit dem Zaunpfahl, um sich wieder in Erinnerung zu rufen, dass ein gepflegtes und umsorgtes Ich unbezahlbar ist. Irgendwann werde ich das auch verinnerlicht und ritualisiert haben. Ich gebe die Hoffnung nicht auf.

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